Die Wiederholung ist keine Wiederholung
Saâdane Afif kuratiert eine Ausstellung von Bildern aus dem Nachlass Peter Roehrs bei Mehdi Chouakri und lässt dafür Musik komponieren.
frieze d/e, 13. November 2013
Während der Eröffnung dieser von Saâdane Afif kuratierten Ausstellung mit Arbeiten aus dem Nachlass von Peter Roehr wurde je zur vollen Stunde in einen benachbarten Veranstaltungsraum geladen. Dort führten die Opernsängerin Katharina Schrade und Augustin Maurs am Klavier unter dem Titel Sept notes sur le travail de Peter Roehr (A Performance) (2013) sieben von Afif konzipierte und von Maurs komponierte Musikstücke auf, die je einem der ausgestellten Werke gewidmet waren.
Zwischen 1962 und seinem frühen Tod 1968 entwickelte Roehr mit der Montage immer gleicher Elemente in Tafelbildern und Filmen eine repetitive Bildsprache, die auf das weitestmögliche Herauskürzen von Subjektivität, Narrativität und Ausdruck zielte. Wurden an Das Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch (1915) noch Transzendenzvorstellungen geknüpft und trat das Werk damit als singuläre Stellungnahme mit universalem Anspruch auf, ging es Roehr um radikale Diesseitigkeit und Austauschbarkeit. In seiner als „Schwarze Tafeln“ bezeichneten Serie unbetitelter Bilder von 1966 (OB-124 bis OB-133) ist die monochrome Fläche nur Element unter gleichen in einem Gesamtsystem: Zehn Mal sind je fünf mal sieben Rechtecke aus schwarzer Pappe zu einem Quadrat montiert. Von dieser zentralen Werkgruppe kündet bei Chouakri die kleinere Ausführung Ohne Titel (OB-134) (1966).
Im Gesamten zeigt die Ausstellung einen Querschnitt durch Roehrs Schaffen: Neben der genannten Arbeit sind vier der so genannten „Typomontagen“ gezeigt, für die Roehr immer gleiche Schreibmaschinenlettern auf Papier setzte, darunter Ohne Titel (ST-5) (1962), eine Additionsrolle, über deren 115,3 Zentimeter Länge die Ziffer „1“ rechtsbündig untereinander gereiht ist; dazu zwei Montagen mit Werbemotiven sowie zwei Fotoabzüge von sieben mal sieben Fünfmarkstücken.
„Ich verändere Material, indem ich es unverändert wiederhole“, erklärte Roehr. Jede Wiederholung hat Teil an der Ausbildung einer Ordnung, die umgekehrt jeder Wiederholung unterschiedliche Plätze zuweist. So lässt sich tatsächlich von einer Veränderung der Elemente sprechen, wie sie auch Diedrich Diederichsen in seiner Kulturtheorie des Loops (Eigenblutdoping, 2008) am Beispiel repetitiver Musik beschreibt: Der Loop schafft weniger eine Wiederholung als eine Auffächerung von Erfahrung. Mit seiner musikalischen Anverwandlung, die auch als Audioguide zur Verfügung steht, verlängert Afif diese Auffächerung in den akustischen Raum.
Nach Minimalismus, Techno und der unbegrenzten Kopierbarkeit digitaler Daten ist Roehrs Zuspitzung industrieller Ordnungsprinzipien heute einleuchtender als für seine Zeitgenossen – um den Preis, dass seine Operationen weniger unmittelbar überraschen oder irritieren. Sie sind, was sie sind – dabei aber schon wegen der Nostalgie, die mit den Techniken und Motiven der Wirtschaftswunderzeit zwangsläufig einhergeht, auch Zeugnisse ihres historischen Kontexts. Umso einleuchtender ist ein aktualisierender Zugriff wie der Afifs.
Mit Roehr verbindet Afif das Bemühen um Klarheit und Diskretion. Während Afif für seine eigenen Arbeiten oft andere nach Beiträgen fragt, ist es hier er selbst, der etwas hinzufügt und damit einen neuen Zugang zu Roehrs Arbeiten eröffnet. Die körperliche Verausgabung der Musiker und die Andächtigkeit eines Liederabends sind in der Aufführung durch die semantische Leere basalster Bildbeschreibungen gebrochen: „répétition […] une répétition […]“ oder „Ce un / ce un […] un un“ sind Textausschnitte, die teils auch auf den Labels neben den Bildern wiedergegeben sind. Auch das Piano meidet Illustration und Expressivität, indem es schlicht die Noten der Gesangsstimme mitspielt. In der Benutzung des Audioguides, dem der Ruch didaktischer Kunstvermittlung anhaftet, wird das Betrachten der Ausstellung schließlich zur orchestrierten Erfahrung. Weniger als eine Anordnung von Bildern, kuratiert Afif eine Form der Begegnung mit ihnen.
Dabei geht es ihm nicht um eine akustische Verdopplung der Roehrschen Gesten. Jedes seiner Stücke unternimmt Variationen und zweigt von der reinen Serialität ab. So folgt etwa auf das Durchspielen des Wortes „argent“ abschließend der schalkhafte Kommentar „über alles“. So entgeht Afif der Gefahr, Roehrs Entscheidungen zu überhöhen und mit neuer Signifikanz aufzuladen. Seine Form der Affirmation beruht auf Distanzierung: Alle Elemente, Roehrs und Afifs, bleiben in ihrer Eigengesetzlichkeit diskret nebeneinander in der Schwebe.